Lachgasmessung als wichtiger Schritt zur klimaneutralen Abwasserreinigung
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Die globale Herausforderung
Klima- und Umweltschutz gehören zu den originären Aufgaben der Wasserwirtschaft – und das nicht erst seitdem die öffentliche Klimadebatte an Fahrt aufgenommen hat. Weltweit lassen sich in den letzten Jahren Maßnahmen erkennen, die den Sektor nachhaltiger machen, und negative Auswirkungen auf das Klima reduzieren sollen. In diesem Zusammenhang rücken auch die Emission von Treibhausgasen auf Kläranlagen immer mehr in den Fokus.
In Dänemark wird schon jetzt besonderes Augenmerk auf die Emission von Lachgas gelegt, aber auch in anderen Ländern wird Handlungsbedarf gesehen. So hat z.B. der britische Versorger Anglian Water in seinem Strategiepapier ”Road to net zero 2030” Lachgas als den größten Einzelfaktor im Emmisionsbudget des Unternehmens identifiziert, welcher knapp die Hälfte der Scope-1-Emissionen (in CO2-Äquivalenten) ausmacht1. Diese Grössenordnung ist im internationalen Vergleich durchaus üblich.
Lachgasbildung auf der Kläranlage
Lachgas (N2O) hat ein hohes Treibhauspotential (=273 CO2 eq2) und kann in der biologischen Abwasserreinigung als Nebenprodukt von Nitrifikation und Denitrifikation produziert werden3. Gemäss IPCC Bericht von 2019 wird für eine „durchschnittliche Kläranlage“ ein Emissionsfaktor von 1,6% N2O-N pro TNZulauf angenommen.
Allerdings ist N2O stark prozessabhängig, und in bisherigen Studien sind Emissionsfaktoren von zwischen 0-20%, je nach Konfiguration und den lokalen Gegebenheiten, gefunden worden. Weiterhin wird meist eine starke saisonale Variation über das Jahr beobachtet, und durch gezielte Maßnahmen wie z.B. Anpassung der Belüftung lassen sich teils signifikante Reduktionen erreichen4.
Messung von Lachgas direkt om Prozess
Das N2O-Abwassersystem ist einzigartig darin, gelöstes Lachgas direkt im Prozess zu messen. Es liefert kontinuierlich Online-Daten und ermöglicht die Erkennung kurz- und langfristiger Trends, sowie Korrelationen mit anderen Prozessparametern. Es kann so für die optimierte Prozesskontrolle zur Verringerung der Emissionen genutzt werden. Darüber hinaus wird die gemessene Konzentration zur Berechnung der N2O-Emissionen auf Grundlage von Luftstrippung verwendet. Die Methode zur Emissionsberechnung wurde durch den direkten Vergleich mit Abgasmessungen auf mehreren Kläranlagen validiert, wissenschaftlich untersucht5 und gilt als Stand der Technik für Betreiber weltweit.
Messbarkeit ermöglicht Handlung
Die Verfügbarkeit einer praxistauglichen Methode hat in Dänemark zu sektorweiten politischen Initiativen geführt. Ähnliche Bemühungen sind auf der ganzen Welt zu beobachten, z.B. in Großbritannien, den Niederlanden, USA und Neuseeland. Auch in Deutschland gewinnt das Thema an Aufmerksamkeit (s. Veröffentlichung der DWA Merkblätter M 230-1 und -2). Mit dem Ziel eines klima- und energieneutralen Wassersektors bis 2030 hat die dänische Regierung die Betreiber von Kläranlagen aufgefordert, Daten über die Emissionen von Treibhausgasen einzureichen.
Um die Ausgangsdatenlage zu verbessern, wurde eine Fördermaßnahme aufgelegt, um eine breit angelegte Messkampagne zu realisieren. Der Bericht aus dem Jahr 2020 fasst Langzeitmessungen (mindestens 12 Monate) von 9 dänischen Kläranlagen zusammen und hat den nationalen Emissionsfaktor von 0,84% bestimmt6. Allerdings wurden auch hier große Unterschiede zwischen den einzelnen Kläranlagen und Prozesskonfigurationen festgestellt. Insbesondere die unter Hochlast betriebenen Prozesse zur Behandlung von Trübwasser zeigten erhöhte Emissionen (s. Abb. 2).
Ausgehend von diesen Untersuchungen plant die dänische Regierung, in 2025 einen Grenzwert für Lachgasemissionen auf Kläranlagen mit mehr als 30.000 EW einzuführen. Die Ausweitung auf 10.000 EW Anlagen ist im Gespräch. Die detaillierte Ausformung der Berechnung von Abgaben und Anforderung an die Berichterstattung ist zum Zeitpunkt des Drucks noch unklar.
Prozessoptimierung als Ziel
Gesichert ist allerdings, dass ein Emissionsfaktor allein nicht dazu verwendet werden kann, Maßnahmen zur Reduzierung von Lachgas zu entwickeln. Stattdessen schließt die Studie mit der Empfehlung, bestehende Online-Messungen auszuweiten und weitere Studien über die Beziehung zwischen Abwasserlast, Belüftungsstrategie, Schlammvolumen und -alter und Lachgasemissionen durchzuführen. Über das Potential der Emissionsreduktion hinaus kann dadurch ein besseres Verständnis der biologischen Prozesse erreicht-, und die Prozesseffizienz und -stabilität erhöht werden.
Die Ökonomie der Klimaoptimierung – Energie- und Klimaneutralität
Stromeinsparungen basierend auf reduzierter Belüftung können sich je nach Umständen negativ auf die Bildung von Lachgas auswirken. Weiterhin werden die Emissionen, die durch Stromeinkauf verursacht werden, im Rahmen des Ausbaus von erneuerbaren Energien in Zukunft stark sinken. Somit ist bei Optimierungsmaßnahmen im Prozess stets der Blick auf den Gesamtklimaeffekt zu richten.
Lachgasreduktion durch Prozessoptiminierung kann hier eine kostengünstige Methode sein um signifikante Verbesserungen zu erzielen. Unter Einberechnung der Anschaffungs- und Betriebskosten für die dauerhafte Messung wurde zB für die Kläranlage Avedøre ein Mitigationspreis von ca 2 €/t CO2-e berechnet7. Auf dieser Anlage konnten durch Prozessänderungen bis zu 75% Reduktion der Lachgas Emission realisiert werden.
Betreiber von mehreren hundert Kläranlagen auf der Welt überwachen derzeit gelöstes Lachgas als Online-Prozessparameter, und viele setzen auf dieser Grundlage Minderungsstrategien um. Mit dieser wachsenden Zahl praktischer Erfahrungen verfügt der Sektor über die Instrumente und das Wissen, um eine klimaneutrale Abwasserbehandlung zu erreichen.
Autor: Dr. Bastian Piltz, Unisense Environment A/S
Ab 2025 wird in Dänemark per Gesetz deren Emission reguliert. Auf EU- und weltweiter Ebene sind ähnliche Veränderungen zu erwarten.
- Nationaler Emissionsfaktor: 0.84% N2O-N per TNZulauf
- Starke saisonale und prozessabhängige Variation
- Langzeitmessungen unbedingt notwendig
- Durch Prozessverständnis können Emissionen gesenkt werden
Literatur
- Anglian Water, “Our net zero strategy to 2030”, www.anglianwater.co.uk/siteassets/household/environment/net-zero-2030-strategy-2021.pdf
- IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change, “2019 Refinement to the 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories,” 2019.
- M. J. Kampschreur, H. Temmink, R. Kleerebezem, M. Jetten, and M. C. M. van Loosdrecht, “Nitrous oxide emission during wastewater treatment,” Waterv Res., vol. 43, no. 17, pp. 4093–4103, 2009.
- V. Vasilaki, T. M. Massara, P. Stanchev, F. Fatone, and E. Katsou, “A decade of nitrous oxide (N2O) monitoring in full-scale wastewater treatment processes : A critical review,” Water Res., vol. 161, pp. 392–412, 2019,
- C. Baresel, S. Andersson, J. Yang, & M.H. Andersen, (2016). "Comparison of nitrous oxide (N2O) emissions calculations at a Swedish wastewater treatment plant based on water concentrations versus off-gas concentrations," Advances in Climate Change Research, 7(3), 185-191.
- Umweltbehörde Dänemark (MUDP), “Lattergaspulje - Dataopsamling på måling og reduktion af lattergasemissioner fra renseanlæg,” 2020.
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Tech Notes & References
Two liquid phase N2O sensors accurately represent process dynamics and emissions in most common raceway and recirculation reactors.
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Based on data from Danish WWTPs through advanced online-control.
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